Um ganz ehrlich zu sein: Guerillakochen ist weder so geheim noch so verboten, wie es sich anhört. So ganz legal ist es allerdings auch nicht. Seinen Ursprung hat das Kochen im Geheimen in den USA, und vor einiger Zeit schwappte der Trend über den großen Teich zu uns. Doch was ist das überhaupt, das Guerillakochen?
Beim Guerillakochen serviert der Koch, ob Profi oder leidenschaftlicher Amateur, fremden Menschen ein ausgeklügeltes Menü. Das Besondere am „Secret Dining“ ist die Umgebung. Denn der Gastgeber lädt in seine Privatgemächer, also sein Wohnzimmer, Küche oder Hinterhof – egal wo, Hauptsache es ist genügend Platz für einen großen Tisch vorhanden. Wie im ganz normalen Restaurant bezahlen die Gäste für Essen und Getränke. Es gibt keine Speisekarte, aus der man wählen kann, sondern man darf (oder muss) sich auf ein Überraschungsmenü freuen. Warum das Unternehmen geheim bleiben soll? Es gibt für das Guerillakochen keine offizielle Genehmigung, keine Kontrollen, wie sauber die Küche ist oder wie hygienisch gekocht wird. Ohne Lizenz darf nicht gekocht werden, aber die Guerillarestaurants befinden sich in einer rechtlichen Grauzone. Solange das Kochen und Bewirten ein Privatvergnügen bleibt, drücken die Behörden meistens ein Auge zu.
Höchst geheimnisvoll!
Die meisten Supper Clubs, wie sie auch genannt werden, organisieren sich über die sozialen Netzwerke. Dort wird das Menü bekannt gegeben, dort können Reservierungen vorgenommen werden für das nächste Event. Die Location bekommt der Gast dann meistens einen Tag vorher per Email mitgeteilt. Um die nächste Frage gleich zu beantworten: Ja, Reservierungen sind mittlerweile notwendig. Viele Guerillarestaurants beschränken die Teilnehmerzahl auf etwa zehn Leute, die eine verbindliche Zusage bekommen. Alle anderen, und das sind nicht wenige, kommen auf die Warteliste oder dürfen beim nächsten mal auf ihr Glück hoffen. Denn das Essen im Geheimen ist längst kein Geheimtipp mehr. Seit „selbst gemacht“ wieder im Trend liegt und die Menschen die Sehnsucht nach Gemütlichkeit und Heimeligkeit wiederentdecken, ist Essen an einer großen Tafel wieder total angesagt.
Geheimnisvolles Dinner
Gibt es einen typischen Gast? Was wird serviert? Wie teuer ist so ein Secret Dinner? Was wird denn überhaupt serviert? Um das herauszufinden, bleibt nur eine Lösung: der heroische Selbstversuch. Also suche ich nach Guerillarestaurants in der Nähe meines Wohnortes und werde prompt fündig. Keine 15 km von hier, in der Nachbarstadt, gibt es zwei Guerillaköche. Die beiden werden in diversen Artikeln, in der Tageszeitung und sogar im WDR hoch gelobt. Mit René van der Knokke und Clemens Chamai hatte ich also meine beiden Guerillaköche aus Mülheim gefunden! Einen Termin bei der KochPottGuerilla, wie die beiden sich nennen, zu bekommen war gar nicht so einfach. Zwei lange Monate Wartezeit, in denen man sehnsüchtig die Fotos der monatlich servierten Fünf-Gänge-Menüs auf Facebook bestaunen durfte, waren zu überbrücken. Tatsächlich sind die Events der beiden Köche lange vorher ausgebucht. Als ich dann endlich kosten durfte, was die beiden servieren, wusste ich auch warum! Auch wenn es in der Hauptsache an den Menüs der KochPottGuerilla liegt, so spielen doch noch einige andere Faktoren eine große Rolle für den Erfolg der Veranstaltungen. Zum einen ist da Neciah, die Freundin von Clemens. Sie übernimmt am Abend die Rolle der charmanten Gastgeberin und bricht mit ihrer direkten, extrovertierten Art sofort das Eis. Im Wohnzimmer von Clemens steht der riesige Esstisch, an dem sich alle nach einem Aperitif versammeln. Grüppchenbildung ist nicht erwünscht, deshalb dürfen maximal drei Leute, die sich kennen, am Dinner teilnehmen. Die meisten Leckermäuler sind paarweise aufgetaucht, aber schnell entwickeln sich Gespräche über den Tisch. Sarkastische Kommentare von links treffen auf Berichte über drogenindizierte Gründe für den Führerscheinentzug von rechts, und erstaunlich wenig konventionelle Konversation à la „Was machst Du denn beruflich?“ entwickelt sich. Obwohl gerade dieses weite Feld interessant ist, denn es lässt erkennen, welche Klientel am Guerilladinner teilnimmt. Solide Bildung, mittleres Alter ab 30 aufwärts und weiblich ist die typische Teilnehmerin an diesem Abend. Aber, und das ist das Schöne an den Events, sieht das beim nächsten mal schon ganz anders aus. Während die Feinschmecker genießen, schuften René van der Knokke und Clemens Chamai in der kleinen Einbauküche. Die beiden arbeiten auch beruflich in der Gastronomie, im Oberhausener Restaurant Chamai. Die Leidenschaft für das Kochen steht den beiden ins Gesicht geschrieben, wenn sie von der KochPottGuerilla erzählen oder wenn man neugierig in die Küche lugt. Jeder Handgriff sitzt, und man hat das Gefühl, die beiden könnten sich auch mit verbundenen Augen dort zurechtfinden und immer noch klasse kochen. Alles, was die beiden am Abend servieren, wird eine Woche vorher probegekocht. Die Gäste müssen essen, was auf den Tisch kommt, aber fast alle essen ihren Teller ratzeputz leer. Am besten geschmeckt hat mir Gang 2 des französisch inspirierten Menüs. Jakobsmuscheln mit Flusskrebstartar gab es, und sogar eingefleischte Fischhasser haben ordentlich zugelangt. Ein Highlight war auch der 4. Gang. Entenbrust zwischen Blutwurstscheiben mit Orangensauce an Kaiserschoten – das klingt erst mal ziemlich abgehoben und abenteuerlich, entpuppte sich aber als erstaunlich bodenständig. Blutwurst zu essen ist nicht jedermanns Sache, aber als der Bauch erst einmal den Kopf besiegt hatte, war die Blutwurst erstaunlich cremig. Die Entenbrust perfekt gegart und die Orangensauce verband alles zu einem süchtigmachenden Geschmack. Als es ans Zahlen ging, war ich sehr überrascht, denn man zahlt bei der KochPottGuerilla nicht mehr als den Einkaufspreis der Zutaten plus Getränke. Wasser gibt es frei Haus. In einem Restaurant hätte man mindestens das Dreifache bezahlt. Doch warum machen die Jungs das überhaupt, wenn sie nichts daran verdienen? Schließlich stehen sie auch an ihrem freien Tag in der Küche und schuften, um mehr oder weniger verwöhnte Gaumen zufriedenzustellen. Die Antwort ist so einfach wie verblüffend: Weil es ihnen einfach Spaß macht zu experimentieren. Und weil sie hier, im halbwegs privaten Rahmen, Dinge ausprobieren können. Im Restaurant, das versichern mir die beiden Guerillaköche, wären viele Leute weder experimentierfreudig genug noch bereit, den Restaurantpreis zu zahlen. Alles Produkte sind „regional“ und, soweit es möglich ist, „bio“. Das ist nicht nur löblich, man schmeckt es auch. Es gibt keinen Gang, den ich nicht empfehlen könnte. Als letztes mussten Clemens und René die dringlichste Frage von allen beantworten: Wann gibt es ein Kochbuch von den beiden? Geplant ist es, aber die Realisierung liegt noch in weiter Ferne. Aber das ist auch kein Problem, denn auf schüchternes Nachfragen teilen die beiden ihre Rezepte auch mit den Teilnehmern. Fazit: Für verwöhnte Gaumen, neugierige Gourmets und Leute, die schon alles ausprobiert haben, ist das Guerillakochen zumindest in Mülheim eine uneingeschränkte Empfehlung. Und für alle anderen gilt: Einfach mal ausprobieren! Man lernt Menschen kennen, die gerne essen, und das verbindet. Zumindest einen Abend lang. Autor: Gunda Plewe |