Food-Magazin

Das Do-it-yourself Bier: ein Selbstversuch

Bier-Zutaten
Do-it-yourself ist voll im Trend, und nicht nur im Handarbeitsbereich. Mit Begeisterung entdeckt eine ganze Generation wieder, was Oma und Opa noch konnten – vorausgesetzt, sie wohnten auf dem Land und betrieben Landwirtschaft. Ich bezweifle stark, dass meine Oma, die ein echtes Stadtkind war, jemals ihren eigenen Käse gemacht hat. Mit Marmeladen, Chutneys und Brot hat mittlerweile schon fast jeder einmal herumexperimentiert, mit mehr oder weniger großem Erfolg. Aber es gibt auch kompliziertere Sachen. Senf, Würste, Schinken, Käse und Bier zählen zu den Dingen, die man nicht mal eben selbst herstellt. Doch wen die Lust packt, der lässt sich vom angeblichen Schwierigkeitsgrad des Herstellungsprozesses nicht abhalten.

Das Do-it-yourself Kit


Sogenannte Do-it-yourself Kits gibt es mittlerweile für fast alles. In verschiedenen Ausstattungen von luxuriös bis simpel sind die Sets für Tofu, Käse etc. zu bekommen. Dabei sagt die Ausstattung nichts über den Preis – ein mageres Holzkästchen für den oben erwähnten Tofu mit Anleitung in gebrochenem Deutsch kann da schon ordentlich kosten. Viele Kits kommen aus den USA, wo der Trend, sein Essen von A bis Z selbst zu machen, gerade einen echten Höhepunkt erreicht.

Auf zu neuen Ufern


Ich muss ja zugeben, dass auch ich mich schon an vielem versucht habe, und ebenfalls mit wechselndem Erfolg. Wirklich nicht zu empfehlen, auch wenn meine Freunde es tapfer probiert haben, war die Chili-Honig-Paste. Richtig gut dagegen sind meine selbst gemachten Würste, allen voran die herrlich nach Knoblauch duftende Merguez. Dieses hausgemachte Produkt aus meiner Küche muss ich niemandem mehr aufdrängen, ich werde bereits gefragt, wann es „endlich wieder“ selbst gemachte Wurst gibt. Indischen Käse habe ich bereits hinter mir, auch den obligatorischen Aufgesetzten sowie verschiedene Sirupsorten aus Kräutern. Was bleibt also als Herausforderung? Genau, ein selbst gebrautes Bier.

Rechtliche Vorschriften


Es gibt in Deutschland tatsächlich ein Limit für selbst gebrautes Bier. Privatpersonen dürfen nicht mehr als zwei Hektoliter Bier im Kalenderjahr selbst brauen, und das auch nur für den Eigenbedarf. Ansonsten muss das Bier versteuert werden. Nun, so viel kann ich verraten: Es besteht keine Gefahr, dass ich jemals auf 200 Liter selbst gebrautes Bier im Jahr komme. Theoretisch allerdings muss ich dem Hauptzollamt anzeigen, dass ich Bier brauen möchte.

Frisch ans Werk – oder doch nicht


Damit ich möglichst schnell loslegen konnte, habe ich also ein Bier-Set bestellt. Es besteht aus einer 1,5 kg Dose Malzextrakt, Trockenhefe für Pils-Biere (so steht es auf der Verpackung), Kaliumpyrosulfit zum Desinfizieren, und zwei Päckchen mit Hopfenpellets. Die eine Mischung ist zum Hopfen nach Kochbeginn, die andere vor dem Kochende vorgesehen. Was fatalerweise völlig fehlt, ist eine Anleitung. Der Hersteller des Sets beantwortet meine dringende Bitte nach einer Anleitung nicht, und alles, was ich im Internet finde, klingt ziemlich kompliziert. Mittlerweile frage ich mich, welcher Teufel mich da bloß geritten hat – ich trinke ja nicht mal gerne Bier.

Peinliche Wissenslücken


Nach einigen Stunden intensiver Recherche bedaure ich, mich für ein Pilsener-Brauset entschieden zu haben. Pils, so lerne ich, ist ein untergäriges Bier und muss bei Temperaturen zwischen 0 Grad und 12 Grad reifen. Diese Bedingungen konstant zu halten schaffe ich nicht in der Wohnung. Aber aufgeben möchte ich auch nicht. Ein neues Set muss her. Diesmal entscheide ich mich für ein Set, das neben dem Malzextrakt etc. auch einen Gärbehälter, einen Hahn und ein Gärrohr enthält. Das hatte ich nämlich auch vergessen.

Endlich geht´s los!


Als Erstes muss ich mich dem Thema Hygiene beim Brauen stellen. Nach Erfahrungsberichten ist die mangelnde Hygiene zu 99 % für verdorbenes, irgendwie seltsam schmeckendes Bier verantwortlich. Ich habe zwar noch das Desinfektionsmittel vom ersten Set, aber auf der Packung steht etwas von giftigen Gasen, die sich bei Berührung entwickeln. Und da ich mich kenne, desinfiziere ich doch mit kochendem Wasser. Naja. Der Hahn kommt schon in den Behälter, damit ich auch später ordentlich zapfen kann.

Nun setze ich die Hefe an, das kenne ich ja vom Hefeteig, der mir vertrauter ist als das Bier. Mit 200 ml lauwarmem Wasser und einem halben Teelöffel Zucker verrühre ich den Hefeextrakt aus dem Set. Das Glas bleibt nun 2 Stunden stehen, damit die Hefe arbeiten kann. Als die zwei Stunden endlich rum sind, geht es endlich weiter. Etwa 2 Liter heißes Wasser schütte ich in den Gärbehälter (eigentlich ist es nur ein Plastikeimer). Den Malzextrakt, der sirupartig ist, schütte ich dazu. Die Dose mit dem Bierextrakt wird noch einmal ausgespült, um die letzten Reste zu entfernen. Alles wird schön durchgerührt, damit sich die klebrige Masse nicht unten absetzt. Jetzt kann ich mich entscheiden, ob ich zehn bis zwölf Liter Bier machen möchte oder gleich zwanzig. Der Extrakt reicht auch für 20 Liter, aber dann wird der Geschmack nicht so intensiv. Man müsste nur noch 1,2 Kilo normalen Zucker hinzugeben, damit sich auch bei einer Menge von 20 Litern genug Alkohol entwickelt. Ich bleibe auf der sicheren Seite und schütte zu meinen zwei Litern plus Extrakt noch 9 Liter kaltes Wasser. Es riecht nicht schlecht.

Jetzt heißt es die Temperatur der Flüssigkeit prüfen. Zimmerwarm soll sie sein, aber ich kann ja unmöglich meinen Finger in die Flüssigkeit stecken und fühlen. Also suche ich mein Bratenthermometer, das ich mit kochendem Wasser desinfiziere – sicher ist sicher. Meine Mischung ist 30 Grad warm, das ist noch zu heiß. Ich warte und warte und warte, bis sich die Flüssigkeit auf 22 Grad abgekühlt hat. Nun kommt die Hefe dazu, einmal rühren, und der Behälter wird mit dem Deckel verschlossen. Das Gärrohr wird in den Deckel gesteckt, und ich schleppe den Eimer ohne größere Bierverluste ins Wohnzimmer. Hier ist es angenehme 18 Grad warm, also die ideale Temperatur für mein obergäriges Bier.

Und … warten!


10 bis 12 Tage soll das Ganze nun gären, also gedulde ich mich. Das fällt mir schwer, und in den ersten Tagen kontrolliere ich alle paar Stunden das Blubbern im Gärrohr. Ja, es arbeitet!

Nach 12 Tagen sterilisiere ich eine Menge Flaschen (die mit dem Plöpp-Verschluss) im Backofen. Den Eimer schleppe ich wieder in die Küche und wuchte ihn auf die Arbeitsplatte. Ich bin ziemlich froh, mich gegen die Menge von 20 Litern entschieden zu haben! Das Umfüllen ist dank des Abfüllhahns nicht kompliziert, selbst ich Chaot schaffe das, ohne groß zu kleckern. Die Flaschen sollen nicht bis zur Oberkante gefüllt werden, da das Bier noch reifen muss und sich Druck aufbaut. Manche Spezialisten aus dem Internet empfehlen, jetzt noch Zucker in die Flaschen zu geben, und zwar einen Teelöffel. Ich lasse das lieber, da in der Mehrheit der Anleitungen davon nicht die Rede ist. Jetzt ist das Bier in den Flaschen. 2 bis 3 Tage darf ich jede Menge Halbliterflaschen bei Zimmertemperatur reifen lassen, danach müssen sie für etwa 3,4 Wochen in den Kühlschrank. Die ersten drei Tage öffne ich noch einmal täglich jede Flasche, halte kurz die Nase darüber und bin zufrieden. Es riecht, wie ein Bier riechen sollte, zumindest für meine bier-ungeübte Nase.

Mein Problem, die Flaschen im Kühlschrank zu lagern, und das über Wochen, löse ich, indem ich endlich mal wieder den Kühlschrank ausmiste. Es wird knapp und sieht nicht gut aus, aber es geht. So gerade eben passen alle Flaschen in die Fächer. Wenigstens müssen die Flaschen jetzt nicht mehr gelüftet werden.

Der große Moment


Die erste Flasche öffne ich, als ich allein im Haus bin. Sollte das Bier überhaupt nicht schmecken, dann werde ich die Flüssigkeit kommentarlos und heimlich entsorgen! Aber – es ist gar nicht so übel, mein erstes selbst gemachtes Bier. Es ist herb, es schäumt, und es schmeckt nicht, wie ich befürchtet habe, verdorben. Da hat sich der ganze Hygiene-Rummel wohl doch gelohnt. Man kann es trinken, das findet auch der Ehemann. Allerdings kommt es an seine geliebte Hausmarke nicht heran – kein Wunder, denn selbst wenn wir 1000 Kilometer in den Urlaub fahren, landet ein Kasten der Duisburger Marke im Auto. „Trinkbar“, „nicht übel“, nicht zu süß“ – das sind die nicht gerade überschwänglichen, aber auch nicht vernichtenden Kommentare meiner Freunde und der Familie beim Grillabend. Je weiter der Abend voranschreitet, desto enthusiastischer lassen alle die Flaschen ploppen. Als gegen 1 Uhr nachts die letzte Flasche meines Brauerzeugnisses leer auf dem Tisch steht, bin ich ziemlich froh. Und noch froher bin ich, als mich auch am nächsten Tag keine Meldungen von Biervergiftungen erreichen. Ein Kater zählt nicht!

Alles in allem war es ein interessantes Experiment, das ich nicht wiederholen werde. Zu aufwendig ist mir das ganze Herumhantieren und Sterilisieren und Umlagern. Es war nett, aber ich werde doch lieber wieder Brot backen.



Autor: Gunda Plewe

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