Es ist schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr, beim Einkauf im Supermarkt auf das zu vertrauen, was die Hersteller von Lebensmitteln auf ihre Verpackungen schreiben. Lebensmittelskandale wie die Pferdefleischlasagne sind nur die Spitze des Eisbergs, und wer beim Einkauf nicht sorgfältig auf die Etiketten schaut, der ist angeschmiert. Man kauft im guten Glauben Schinken von glücklichen Schweinen, die vor Kurzem noch im Matsch herumtollten, und hat Ersatzschinken aus gepresstem, minderwertigen Fleisch im Einkaufswagen. Doch nicht nur beim Fleisch, auch beim Käse sollte man genauer hinschauen, denn es gibt Käse, der eigentlich gar kein Käse ist: Analogkäse.
Analogkäse – was ist das eigentlich?
Käse, der sich auch so nennen darf, wird komplett aus Milch gewonnen. Analogkäse besteht aus pflanzlichem Fett, Eiweißpulver, das nicht unbedingt Milcheiweiß sein muss, Wasser, Stärke, Aromen und Geschmacksverstärkern. Das fertige Produkt sieht aus wie Käse, riecht wie Käse und schmeckt auch so. Es darf sich allerdings nicht Käse nennen, auch nicht Käseimitat oder Analogkäse, das verbietet eine Verordnung der Europäischen Union. Deshalb wird eine Bezeichnung auf den Verpackungen oft ganz weggelassen, und nur das Wort „überbacken“, das man als Verbraucher direkt mit Käse in Zusammenhang bringt, wird genannt. Spätestens ab Herbst 2014 muss auf Lebensmitteln, die das Kunstprodukt enthalten, die Verwendung ausgewiesen sein – „in unmittelbarer Nähe des Produktnamens“. Man darf gespannt sein, wie die Werbestrategen der Lebensmittelhersteller es schaffen werden, einen künstlichen hergestellten „Käse“ zu einem schlagkräftigen Kaufargument auf der Verpackung umzumünzen!
Wo versteckt sich der Kunstkäse?
Die Argumente der Hersteller basieren selbstverständlich auf den geringeren Kosten. Kunstkäse muss nicht reifen, die Zutaten sind deutlich günstiger als beim echten Produkt. Rund 40 % sparen die Produzenten ein. Außerdem kann man die Eigenschaften des Endprodukts auf die Bedürfnisse des Kunden zuschneiden – bräunt der Käse stark oder schwach, soll er verlaufen oder nur ein wenig schmelzen? Das führt direkt zu dorthin, wo sich der Analogkäse vor allem versteckt: in Fertigprodukten. Weder die Fertigpizza noch Tiefkühlbaguettes bleiben verschont, auch nicht das Käsecroissant vom Backshop, das streng genommen „Croissant mit Pflanzenfettaufstrich“ heißen müsste, wenn statt Käse Analogkäse verwendet wird. Da die Bezeichnung „Käse“ verboten ist, versteckt sich hinter dem geriebenen Produkt im Tiefkühlregal mit der Bezeichnung „Pizza-Mix“ gerne der Analogkäse, ohne dass der Einkäufer es bemerkt. Beim „Hähnchen Cordon Bleu Art“ fällt der echte Käse gerne weg, und auch die Gastronomie gerät in den Verdacht, im Großhandel zum günstigen Imitat zu greifen.
Woran erkenne ich den künstlichen Käse?
Vorbei sind die Zeiten, da man sich auf den Produktnamen und auf den eigenen Gaumen verlassen konnte. Jetzt hilft nur noch auf Blick auf die Liste, in der alle verwendeten Zutaten in absteigender Menge aufgeführt sind. Ein hoher Anteil an Pflanzenfett ist also schon mal ein Wink mit dem Zaunpfahl, ebenso wie das Auftauchen von Milcheiweiß und Geschmacksverstärkern. Und da Gouda, Emmentaler, Feta und alle anderen Käsesorten nur namentlich genannt werden dürfen, wenn sie tatsächlich vorhanden sind, ist das Fehlen dieser Käsesorten ebenfalls ein deutlicher Hinweis. Es gibt da wohl noch den Trick, der Mischung einen geringen Anteil von echtem Käse beizumischen – und flugs ist es wieder legal, mit dem Wort „Käse“ zu werben. In der Gastronomie muss die Verwendung von Analogkäse auf der Speisekarte explizit genannt werden.
Guter Käse, böser Käse
Analogkäse wird immer noch heiß diskutiert als Alternative für Menschen, die an Laktoseintoleranz leiden, da dieser Käseersatz frei von Milcheiweiß sein kann – wohlgemerkt kann, nicht muss. Hier spalten sich die Lager besonders deutlich in Puristen und Praktiker. In Puristen nämlich, die lieber ganz auf den Geschmack und Anschein von Käse verzichten wollen, und in Praktiker, die durchaus mal eine Ladung geballter Künstlichkeit und Chemie in Kauf nehmen, um sich eine schmackhafte Illusion zu gönnen.
Und jetzt?
Tja, da stehen wir nun und sind so schlau als wie zuvor, möchte man beinahe sagen. Denn, Hand aufs Herz, wer geht schon bei jedem Einkauf die Zutatenliste der Hersteller auf jedem Produkt durch, das er kauft? Und wenn mir das Käsecroissant vom Backshop so gut schmeckt, obwohl es mit Pflanzenfettaufstrich überbacken wurde, sollte ich darauf verzichten? Muss ich die Pizza meines Lieblingslieferanten erst einmal im Lebensmittellabor analysieren lassen? Wie immer versteckt sich die Lösung irgendwo zwischendrin. Denn, bei aller Kritik sei es einmal ganz ausdrücklich gesagt: Analogkäse ist nicht per se gesundheitsschädlich. Die Dosis macht das Gift, und wenn ich mich dafür entscheide, Käseimitat zu essen, dann entscheide ich mich bewusst dafür.
Wissen ist Macht
Exakt an diesem Punkt hakt es allerdings. Sobald der Hersteller dem Verbraucher etwas vorgaukelt, was nicht den Tatsachen entspricht, ist die Entscheidung weder bewusst noch frei. Deshalb ist eine Verschleierung der Tatsachen durch Wortschöpfungen wie „Pizza-Mix“ absolut indiskutabel. Und was die Restaurants und Lieferdienste angeht, so hilft ein Blick auf die Speisekarte, Nachfragen und auch mal das gute, alte Vertrauen. Letztendlich entscheidet ohnehin der Geschmack. Autor: Gunda Plewe |